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Erd8 : Perspektiven für die Ötztaler Alpen

Rückblick auf Erd8 vom 22. April und Ausblick auf Erd8 am 6. Mai

Erd8 feierte am Earth Day 2020 Premiere. Thema der ersten Auflage von Erd8 waren die Ötztaler Alpen. Gibt es Perspektiven abseits von neuen Speicherteichen und Schipisten? Rund 25 Interessierte nahmen am Zoom-Meeting teil. Die Teilnehmenden sind teils institutionell an der Universität Innsbruck verankert. Auch der WWF Österreich, der Vereins „WET – Wildwasser erhalten Tirol“ und die Tiroler Umweltanwaltschaft waren vertreten.

Zu Beginn des Treffens schilderten Marianne Götsch (WWF Österreich) und Marieke Vogt (WET) die Situation rund um den überraschenden Baustart eines Wasserkraftwerks an der Ötztaler Ache. Die Ötztaler Ache ist einer der letzten über weite Strecken freifließenden Gletscherflüsse Österreichs. Von der breiten Öffentlichkeit unbemerkt wird seit Mitte März 2020 das KW Tumpen-Habichen errichtet. Der plötzliche Baubeginn inmitten der Corona-Krise stößt auf heftigen Protest bei Umweltorganisationen und AnrainerInnen. Der Verein Verein „WET – Wildwasser erhalten Tirol“ hat mit der Unterstützung von WWF, Free Rivers Fund und der lokalen Bürgerinitiative “BI gegen Wasserkraftanlage Tumpen” eine Petition gestartet, die mittlerweile rund 19 000-mal unterzeichnet wurde.

Abgesehen vom Laufkraftwerk Tumpen-Habichen ist die Region mit zwei weiteren Kraftwerksprojekten konfrontiert: die Speicherkraftwerke Sellrain-Silz und Kaunertal. Während die Umweltverträglichkeitsprüfung für das SKW Kaunertal gerade erst im Sommer 2019 wiederaufgenommen wurde, befindet sich das Verfahren des SKW Sellrain-Silz bereits im fortgeschritten Stadium. Die Gemeinde Neustift sowie der Österreichische Alpenverein (ÖAV), der Deutsche Alpenverein (DAV) und der Umweltdachverband haben Einspruch gegen das Bauprojekts erhoben. Im Fokus der Kritik stehen der unwiederbringliche Verlust des hochalpinen Lebensraums Längental durch die Anlage des Reservoirs sowie das Umleiten von Wasser aus mehreren Gletscherbächen anderer Einzugsgebiete. Wasser, welches naturgemäß in die Ruetz im Stubai beziehungsweise in die Ötztaler Ache entwässert, soll künftig mithilfe eines Stollensystems in den Speichersee eingespeist werden.

Die ökologischen Folgen der Kraftwerksprojekte sind vielschichtig und weitreichend. Dass solche Eingriffe gerade in einer noch über weite Strecken sehr naturnahen Gebirgsgruppe wie den Ötztaler Alpen bzw., im Fall des SKW Kühtai in den Stubaier Alpen, geschehen sollen, erscheint unüberlegt. Der Naturraum Ötztaler Alpen ist gekennzeichnet von glazial geprägten Lebensräumen. So sind rund 13% des Einzugsgebiets der Ötztaler Ache vergletschert. Die höchste Massenerhebung der Ostalpen erlangte weltweite Bekanntschaft durch den Fund der Gletschermumie Ötzi. Obwohl die Ötztaler Alpen mit Tourismusdestinationen wie Sölden und Meran assoziiert werden, sind weite Teile des Naturraums schwer zugänglich und nahezu unberührt. Über die vergangen Jahrzehnte wurde eine Reihe von Schutzgebieten in den Ötztaler Alpen etabliert. Auch die Alpine Gebirgsforschung ist mit dem Universitätszentrum Obergurgl der Universität Innsbruck fest in der Region verankert. Kaum eine andere Gebirgsgruppe wurde so intensiv und umfassend wissenschaftlich untersucht.

Im Rahmen von Erd8 identifizierten wir drei wesentliche Handlungsstränge für eine nachhaltige Regionalentwicklung in den Ötztaler Alpen:

  • Die Ötztaler Alpen als verbindendes Element in Europa: der Fund der Gletschermumie Ötzi am Tisenjoch beweist, dass die Alpen schon vor 5250 Jahre Brücken durch Europa darstellten. Als ein Sinnbild der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino könnte sich der Aspekt der grenzübergreifenden Zusammenarbeit verstärkt in Bewirtschaftung und Vermarktung der Ötztaler Alpen wiederfinden. Bausteine hierfür wären beispielsweise eine Partnerschaft zwischen dem Naturpark Texelgruppe und dem Naturpark Ötztal. Potenzial liegt in der Etablierung eines grenzüberschreitenden Nationalparks, der die beiden Schutzgebiete zum Gletschernationalpark Ötztaler Alpen bzw. zum Ötzi Park zusammenfassen würde. Des Weiteren wäre eine Aufwertung des europäischen Fernradwegenetzes anzustreben. Der Ötztalradweg ist zwar an den Innradweg und damit an den Donauradweg angebunden, doch sowohl die Infrastruktur im Ötztal als auch die Überquerung sowie das Kontinuum nach Meran sollte weiter optimiert werden. Die Ötztaler Alpen sollten als wilde Alpenlandschaft im Herzen Europas, welche Nord und Süd verbindet erhalten bleiben. Dies bedingt den Verzicht auf Großprojekte wie Kraftwerke und Schigebietserweiterungen. Stattdessen wäre es gut, eine Stärkung der nachhaltigen Tourismuswirtschaft anzustreben. Mögliche dahingehende Initiativen wären: eine verbesserte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr sowohl im österreichischen als auch im italienischen Teil der Gebirgsgruppe. Die Konzeptionierung von grenzüberschreitenden Rundreisen zu Fuß oder auf dem Rad. Sowie die gemeinsame Vermarktung der naturräumlichen Besonderheiten und regionaler Produkte unter Dach der Ötzi Park Marke.
  • Die Ötztaler Alpen als Labor der weltweiten Gebirgsforschung: aufgrund der massiven Vergletscherung wird die Gletscherlandschaft Ötztaler Alpen vergleichsweise lang überdauern. Hier gilt es, die Forschung im glazialen Bereich, als auch in den Gletschervorfeldern sowie den Gletscherbächen und neu entstanden gletschergespeisten Gebirgsseen, weiter auszubauen. Argumente hierfür sind die extensiven Datengrundlage sowie die gute infrastrukturelle Erschließung der Gebirgsgruppe (Universitätszentrum Obergurgl). Um die Auswirkungen von globalen Prozessen wie den Klimawandel akkurat einzufangen, ist es unerlässlich, den Wasserhaushalt und die hydrologischen Prozessdynamiken der Ötztaler Alpen in ihrem Naturzustand zu belassen. Statt eines Ausbaus der anthropogenen Eingriffe, benötigen die Ötztaler Alpen deshalb gezielten Rückbau kontraproduktiver Bauwerke. Prioritär wäre hier die Entfernung des Brunauer Wehrs an der Ötztaler Ache. Durch den Rückbau wäre das Kontinuum am gesamten Flusslauf wiederhergestellt. Die Ötztaler Ache würde hiermit sowohl an ökologischer Substanz als auch an Bedeutung für die Fließgewässerforschung gewinnen.
  • Die Ötztaler Alpen sowohl als ein letztes Stück Wildnis als auch als uraltes Kulturgut: die Besonderheit der Ötztaler Alpen ergibt sich aus der Dichotomie von Wildnis und Kulturlandschaft. Über weite Strecken ist die Gebirgsgruppe von menschlichen Eingriffen nahezu unbeeinflusst. Gleichzeitig blickt die Region auf eine lange Geschichte der Besiedelung zurück. Schaftrieb über den Ötztaler Alpenhauptkamm findet seit über 6000 Jahren statt. Die Ötztaler Alpen sind gerade auch durch die Tradition der sorgsamen Bewirtschaftung des Naturraums zu einem vielfältigen und ökologisch wertvollen Lebensraum gereift. Die künftige Regionalentwicklung in den Ötztaler Alpen sollte diese beiden Charakterzüge entsprechend wahrnehmen und fördern.

Aufbauend auf diesen drei Handlungssträngen und etwaigen weiteren Ideenpfaden freuen wir uns auf eine baldige Fortsetzung der Diskussion über die Ötztaler Alpen. Wir laden alle Interessierten dazu ein an der zur Fortsetzung der Erd8-Reihe am 6. Mai 2020 teilzunehmen. Die Diskussion beginnt wie gewohnt um 20:00 Uhr und dauert eine Stunde.

Details zum Zoom-Meeting:

Thema: Erd8 Perspektiven für die Ötztaler Alpen
Uhrzeit: 6.Mai.2020 08:00 PM Wien
Meeting-ID: 947 1494 1438
Passwort: Erd8

Radio: Protest gegen den Bau eines Kraftwerks an der Ötztaler Ache

Die Ötztaler Ache ist einer der letzten freifließenden Gletscherflüsse Österreichs. Von der breiten Öffentlichkeit unbemerkt wird nun ein Wasserkraftwerk errichtet. Der plötzliche Baubeginn inmitten der Corona-Krise stößt auf heftigen Protest bei Umweltorganisationen und Anrainer*innen. Marieke Vogt vom Verein „WET – Wildwasser erhalten Tirol“ hat vor einer Woche eine Petition gegen den Kraftwerksbau gestartet. Innerhalb kurzer Zeit konnte Sie über 14 000 Unterstützer*innen gewinnen. Ich habe Marieke Vogt für FREIRAD über das Kraftwerksprojekt und seine Auswirkungen interviewt.

Der Beitrag wurde im Rahmen des KulturTons vom 06.04.2020 ausgestrahlt.

Radio: Gebirgsvegetation zwischen Klimawandel und Schigebiet

Inmitten der hitzigen Debatten rund um die Schigebietserweiterung Pitztal-Ötztal habe ich meine WÖB-Kollegin Lena Nicklas für FREIRAD interviewt. Lena ist Botanikerin und forscht an der Universität Innsbruck über die Vegetation auf den Gipfeln und Gletschervorfeldern der Alpen. In unserem Interview erklärt sie wie sich der Klimawandel auf diese höchstgelegen alpinen Pflanzen auswirkt und welche Folgewirkungen die Schigebietserweiterungen auf die Gebirgsflora entfalten.

Der Beitrag wurde im Rahmen des KulturTons vom 02.12.2019 ausgestrahlt.